Eine Anatomie des Like-Buttons

Wie Wiebke erst vor kurzem in Ihrem Artikel zur Umwidmung des Like-Buttons in einen Kondolenz-Button hingewiesen hat, gibt es eine Reihe höchst unterschiedlicher Motive, aus denen User den Like-Button in Facebook nutzen. Und das auch ohne den Umstand, dass Fanpage-Admins in einem Text-Posting explizit darauf hinweisen, mit welcher Intention User das Facebook-Feature bitte nutzen sollen. In diesem Artikel will ich einmal versuchen, die höchst unterschiedlichen Beweggründe für ein Like nachzuzeichnen, sowohl aus Perspektive der Nutzer als auch von Unternehmen. User sind dabei der Quell der Likes, während Unternehmen den Fokus darauf legen, möglichst viele Likes zur Unterstützung des eigenen Social Media Marketings zu generieren. Warum und welche Bewegründe Unternehmen und User antreiben, soll dabei gleichberechtigt im Fokus stehen. 

User und der Like-Button

Ein Like darf nicht wörtlich genommen werden

Auch wenn in der direkten Übersetzung ein Like gleichbedeutend mit “Gefällt mir” ist, ist das in der Realität nur selten der Fall. Erst vor kurzem wurde dies auch durch die Justiz festgestellt: “Das Landgericht Hamburg entschied, dass ein Like-Button nach “dem Verkehrsverständnis” nicht unbedingt eine positive Empfehlung bedeuten muss” Ein Like kann die unterschiedlichsten Ausprägungen haben. Von einem gedachten “mega cool” über ein “zur Kentniss genommen” bis hin zu einem “ohhh, guck mal hier, ist das peinlich”. Merkt Ihr, worauf ich hinaus will? Beobachtet Euch einmal selber, wie Ihr im Laufe einer Woche den Like-Button einsetzt… jeder Mensch hat für den Einsatz eines Like seine ganz individuellen und unterschiedlichste Muster – bis hin zum liken der eigenen Postings.
Dabei werden zudem die unterschiedlichsten Botschaften ausgesendet. Gleichzeitig ist ein Like, bzw. die mitgeteilte “Botschaft”, oft mit einer falsche Interpretation verbunden; im schlimmsten Fall sogar der Grund für Missverständnisse. Warum? Ganz einfach: Mit dem profanen Like verhält es sich ganz ähnlich wie mit der Ironie im Web 2.0 – was ein User mit einem Like ausdrücken will kommt beim Empfänger mit ziemlicher Sicherheit nicht so an, wie ursprünglich gedacht. Es fehlen eben sämtliche Bestandteile, die eine direkte Face-to-Face Kommunikation ausmachen. Allen voran die Botschaften nonverbaler Kommunikation. Dennoch – es gibt einen stillschweigenden Konsens, der für eine Mehrheit gelikten Contents zutrifft: Das durchschnittliche Like impliziert eine wie auch immer geartete positive Meinungsäußerung!

Likes – ein bunter Blumenstrauß

Ein Like kann nahezu unendliche Bedeutungen besitzen. Ein User, der den Gefällt mir Knopf betätigt, wird oft eine andere Botschaft senden als die, die beim Leser ankommt. Die Motivation der User, den Like-Button zu benutzen, kann dabei von Informationssuche, Gefallen und Interesse, Selbstdarstellung, Empfehlung, Partizipation, Vorteilssuche, Unterhaltung bis hin zum persönlichen Netzwerken ausgelöst worden sein. Ergänzt wird die Motivation für den Like-Klick durch verschiedenste Intentionen. Ein Like ist ein bunter Blumenstrauß von Bedeutung, von denen ich hier zwecks Verdeutlichung nur einige aufführen will:
Ein Like kann bedeuten, dass ein Posting…

  • meine Aufmerksamkeit gefunden hat.
  • mein Mitgefühl/Mitleid geweckt hat.
  • meine Unterstützung findet.
  • witzig ist.
  • peinlich und witzig ist.
  • in meinen Augen guten Content enthält.
  • …usw. [Beispiele aus Eurem Alltag gerne in den Kommentaren ergänzen]

Like – Meinungsbilder von Gruppen und Social Fame

Ein Like kann bei bestimmten Arten von Content durch eine Art Gruppenzwang ausgelöst werden. Rollt ein virales Posting innerhalb weniger Tage durch Facebook kann damit so etwas wie ein Early-Adopter-Image ausgedrückt werden wollen: “Hey, ich habs als erster im meinem persönlichen Social Graph entdeckt”. Ein Like für wenig kontroversen Content kann außerdem signalisieren “ich habs auch gesehen”. Innerhalb meiner Peer-Groups will ich mich als User informiert und engagiert zeigen und die Meinungen meiner Kontakte teilen. Gleichzeitig übt mein Beziehungsgefüge auch einen gewissen Druck aus – ich will mich in mein soziales Umfeld integrieren und nicht (nur) an kontroversen Themen teilhaben. Oft handelt es sich bei diesem Umstand um Witziges, Informatives oder Empörendes.
Emotionen werden durch Postings kurz und knackig angesprochen; die Botschaft solcher Postings ist schnell zu erfassen, oft auch visuell unterstützt. Übrigens ein Umstand, den wir als Werbetreibende prima ausnutzen können – eindeutige, emotionale und kurze Statements bzw. Postings erzeugen häufig ein hohes Engagement, die Reichweite steigt. Und passt hoffentlich zur Marke…
Likes sind auch eine Form der Selbstdarstellung – ich nenne es gerne den Social Fame. Definitiv ist der Begriff des Geltungsbedürfnisses nicht zwangsläufig negativ belegt: Was das Online Reputation Management für Unternehmen ist, das ist das Personal Branding für den User. Manche machen es, um sich im beruflichen Kontext eine Expertenstellung zu erarbeiten, andere wollen ihren Lifestyle so unterstreichen. Wieder andere nutzen Social Media, um beides zu kommunizieren. Das eigene Geltungsbedürfnis kann gerade in Social Networks aktiv gestaltet werden. Die eigene Reichweite ist weit größer, als es bei der persönlichen Vernetzung in der Offline-Welt der Fall ist.

Likes als Treibstoff der Meinungsbildung

Gute Posting und gute Kommentare – eine Kombination, die man immer seltener in Facebook findet. Der Like-Button ersetzt in dieser Konstellation immer häufiger die kritische Diskussion. Ein Kommentar erfordert im Gegensatz zu einem Like eine größere intellektuelle Anstrengung. Ausgenommen davon sind Kommentare, die der Unterhaltung dienen. Oftmals werden vorhandene Kommentare nur noch mit einem Thumbs up bewertet – ausbleibende Likes für einen Kommentar sind zwar nicht zählbar, haben aber den Charakter eines #dislike. Natürlich – und da nehme ich mich nicht aus – ist ein Like ein einfaches Mittel der Meinungsäußerung. Gerade emotionale Kommentare werden schnell geliked – schließlich kann ich mir mit einem Like ohne großen Aufwand die Meinung eines Anderen zu eigen machen und dadurch meine (Zu)Stimmung ausdrücken. Übrigens ist das nicht grundsätzlich negativ zu bewerten, doch laufen Diskussionen so Gefahr, oberflächlich zu bleiben. Über wenige vorhandene (oder sichtbare) Kommentare wird mittels Daumen abgestimmt – der Gewinner ist am Ende der meistgelikte Kommentar, gleichzusetzen mit der Meinungsführerschaft. Andere Kommentare verlieren an Sichtbarkeit – eine Form des Datendarwinismus. Die technischen Möglichkeiten tragen zu dieser Entwicklung bei – wer hat heute schon die Muße, zwanzig Kommentare gewissenhaft durchzulesen?
Bei Facebook ist es seit kurzem möglich, dass Kommentare anhand des “sozialen Rangs” geordnet werden – die Kommentare mit den meisten Likes sind in den zwei bis drei sichtbaren Kommentaren unter einem Posting direkt ersichtlich – alle anderen müssen erst ausgeklappt werden. Um es nicht zu verschweigen – stärker als Likes werden Kommentare auf Kommentare gewichtet, die es dann manchmal schaffen, einen vielgelickten Kommentar von der Tabellenspitze zu verdrängen; das ist jedoch eher die Ausnahme. Eine andere Dimension dieser Umstände ist die Tatsache, dass User, die mit der allgemein anerkannten Meinung übereinstimmen, mit höherer Wahrscheinlichkeit dazu neigen, einen weiteren Kommentar hinzuzufügen – wenn sich nicht die Meinung im Sinne der Crowd sogar gerade erst gebildet wurde. Gegenläufige Meinungen stehen dagegen unter dem Druck der Mehrheitsmeinung; unter Umständen verzichten User dann auf ein Posting.

Klar, dass ist ein wenig Schwarzmalerei, letztlich aber wird unsere Kommunikationskultur so an Inhalten ärmer. Aber keine Angst, es gibt immer noch genügend Orte an denen tiefgehende Diskussionen stattfinden. Meiner Beobachtung nach vor allem in nichtöffentlichen Gruppen. Unterhaltung hat in Facebook allerdings genauso seine Berechtigung, wie eine inhaltliche Diskussion.

Unternehmen und der Like-Button

Likes als Marketing-Währung

Like-ButtonUnternehmen definieren KPIs noch viel zu oft noch ausschließlich anhand der Anzahl der Likes. Ist dies der Fall, kann sich das sich das in Content-Strategien widerspiegeln. Postings wie die von Lothar Matthäus oder aktuell von Sixt könnten die Folge von solchen Ansätzen sein. Sicher, die kurzfristige Sichtbarkeit steigt, ein Buzz wird erzeugt – und außerdem stimmen meine Zahlen für den Rest des Monats. Das es ausschließlich mit so gearteten Postings nicht gelingt, eine engagierte, interessierte und mitwirkende Community aufzubauen, dürfte klar sein. So gewonnene Likes sind mitnichten ein Zeichen für Markenloyalität.
Community – da sind wir schon bei dem allem übergeordnetem Ziel eines Unternehmens, dass in Facebook aktiv ist – Fans sollen gewonnen werden, die Markenbindung gestärkt und indirekt oder direkt auch der Umsatz gesteigert werden. Dazu sind neben anderen Methoden und Mechanismen eben auch Likes notwendig. Für erfolgreiche Kampagnen ist es gerade in der Seeding-Phase wichtig schnell und viele Likes zu generieren. Engagement und Likes – das sind zwei Seiten einer Medaille, die Hand in Hand gehen sollten. Bei all dem darf nicht aus den Augen gelassen werden, welchen Wert ein Fan für ein Unternehmen hat. Das ist aber ein anderes Thema, dass den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.

Dennoch – Likes sind auch für qualitativ wertvoll administrierte Pages ein nicht verzichtbares Feature von Facebook und eine wichtige Kennzahl. Nur so werden Freunde von Freunden über Inhalte informiert, nur so kann ich als Unternehmen von dem Vertrauen partizipieren, welches ich als User meinen persönlichen Kontakten entgegenbringe. Likes fördern Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Und letztendlich kann ich als Unternehmen auch nur so das virale Potenzial von Facebook nutzen. Damit meine ich keine Superposting, sondern einfach die organische Verbreitung von Content. Übrigens gerne unterfüttert durch die verstärkende Wirkung von Sponsored Ads. Für Unternehmen gibt es dabei folgende “Like-Arten”, die Teil der Social Media bzw. Content-Strategie sein sollten:

  • Likes als Generierung von Engagement – eine wichtige Aufgabe des Community Managements! Likes sollten zu Marke, Produkten und Dienstleistung durch geschickte Formulierungen passen und in diesem Sinne durch gut ausgewählte Bilder und nicht zuletzt wertvollen Content generiert werden.
  • Page Likes – Das ist sicher die wertvollste Währung im Social Media Universum. Diese Zahl sollte man aber nicht als absolute und isolierte Zahl betrachten, sondern immer in Bezug zur Größe der Zielgruppe setzen. Ist die Größe der Zielgruppe möglichst genau definiert, erst dann kann ich als Unternehmen über erreichte Erfolge urteilen. Eine beliebte Methode zur Gewinnung dieser Likes ist das Fangate – zum Für und Wider hat Paul bereits in einem anderen Artikel einiges geschrieben. Der zweite Quell der Page Likes sind Ads – durch ein gezieltes Targeting mit weniger Streuverlusten als Fangates. Organische Page Likes, die nur schwer zu messen sind, sind der dritte Ursprung dieser Like-Spezies – und sicherlich die qualitativ wertvollste Quelle.
  • Social Buttons – das sind die auf Websites eingebunden Buttons, die ein schnelles Facebook-Like, einen Tweet oder ein +1 ermöglichen. Sicher eine nicht zu unterschätzende Quelle, um den eigenen Content zu verbreiten und zumindest aus meiner Perspektive die Likes, die die größte Credibility besitzen. Auch aus Sicht der Unternehmen sicher sehr wertvoll, da hier die User den Content selbstständig und in den meisten Fällen ohne Aufforderung in den Streams der Facebookmitglieder spülen. Eigentlich schade, dass die Quelle dieser Art von Likes für den Laien in Facebook selber nicht direkt ersichtlich ist.

Der Like-Button – ein sehr komplexes Wesen

Wie wir sehen gibt es ganz unterschiedliche Szenarien, wie und mit welcher Intention der Klick auf den Daumen erfolgt bzw. warum es Ziel von Unternehmen ist, Likes zu generieren. Meine Ausführungen sind dabei sicher nur ein Bruchteil der Facetten, die mit einem Like abgebildet und transportiert werden können.

Eines der natürlichsten Ziele von Unternehmen im Social Media Marketing ist es, Likes zu generieren. Dabei gibt es wie oben aufgeführt die unterschiedlichsten Quellen von Likes, die für das Marketing sehr differenzierte Bedeutungen haben. Den größten Unterschied, wie und in welchem Umfang diese angestrebten Likes realisiert werden, macht die Content-Strategie. Baue ich ausschließlich auf Reichweite und Sichtbarkeit bzw. Coverage oder lehne ich meine Strategie eng an meine Zielgruppe an? Beide Ansätze haben Ihre Berechtigung, abhängig von Marke und Produkt. Generell halte ich es allerdings für effizienter, den eigenen Kanal mit auf meine Zielgruppe zugeschnittenem Content zu bespielen. Qualität ist wichtiger als Quantität. Aber wie immer – Außnahmen bestätigen die Regel.

Wie auf Seiten der Unternehmen ist auch ein durch User gegebenes Like in seiner Bedeutung sehr vielschichtig. Ein Like, auch übertragen auf andere Netzwerke wie YouTube oder Twitter, kann in der Masse durchaus sinnvoll sein. Hier zeigt Reddit zum Beispiel, wie User Generated Content durch die Community selber erfolgreich gefiltert werden kann. Ein Mechanik, die ein Überbleibsel aus der Zeit der Social Bookmarking Dienste ist. Die Kehrseite der Medaille auf Seiten der User ist, dass bestimmte Meinungen sehr schnell übernommen werden, ohne dass die Masse der User sie wirklich hinterfragt. Außerdem kann ein Außenstehender, manchmal auch direkt vernetzte User, nicht immer den Like-Button so interpretieren, wie es sich der likende User wünschen würde. Ganz so verhält sich auch mit dem Kondolenzbutton – die Einen wollen lediglich Ihr Beileid ausdrücken, Kritiker wiederum gewinnen schnell die Oberhand und werden zu Meinungsführern. Ihr Statement lässt sich ja schnell bestätigen, was wiederum die Meinungsbildung bei nachfolgenden Usern entscheidend beeinflussen kann.

Abschließend eine schöne Beschreibung eines Likes durch Brian Solis:

Facebook’s Like-button is often confused as an “Opt In” by marketers. All too frequently people who have clicked the Like-button are thought of as a captive community where customers have opted in to marketing and engagement. Likes do not represent the actual size of a community, yet many organizations confuse the overall number with actual audience size.  The difference between Like and other direct response triggers is that the Like is an act of fleeting value that must be earned over and over again. Often, it’s an “in the moment” action that expresses affinity, interest,  alignment, and sometimes endorsement. And as an expression, Likes are a form of social currency and their value goes up and down with each engagement.

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